Was es heißt, Autist zu sein.

Beim Durchforsten der Seite fand ich in einem der ersten Artikel ein paar Worte, die es passender eigentlich nicht hätten treffen können. Daher möchte ich sie an dieser Stelle zitieren.

(Asperger-)Autismus wird nicht umsonst die unsichtbare Behinderung genannt. Man sieht es dem Betroffenen einfach nicht an und schließt daraus, dass dieser deswegen nicht leiden könne und sich nicht so anstellen solle. Viele Betroffene, vor allem spätdiagnostizierte Asperger haben im Laufe ihres bisherigen Lebens Strategien entwickelt, um sich – zumindest nach außen – anzupassen. Teils bewusst, teils unbewusst. Diese Strategien kommen einer erlernten Fremdsprache nahe, die man zwar mehr oder weniger fließend beherrscht, aber eben nicht mit der Perfektion eines Muttersprachlers. Irgendwann kommt man auch als angepasster Asperger-Autist an seine Grenzen und die so mühsam aufgebaute Fassade bricht in sich zusammen.

Diese Grenzen sind jedoch meist nicht durch den Autismus gesteckt, sondern durch das falsche Bild, das in der Gesellschaft herrscht. Etwas mehr Weitsichtigkeit in Bezug auf Menschen, die nicht der Norm entsprechen, würde der Gesellschaft gut tun. Durch falschen Umgang mit Autisten werden diese erst behindert und eingeschränkt. Würde beispielsweise ein Arbeitgeber von sich aus auf die Bedürfnisse seines autistischen Angestellten eingehen, bräuchte dieser keinen Schwerbehindertenausweis, um Nachteilsausgleiche einzufordern, gar einzuklagen.

Autist sein heißt, sich ständig rechtfertigen zu müssen und dennoch missverstanden zu werden.

Link zum Kompletten Artikel: aspienaut.de/?p=61

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18. Juni: Autistic Pride Day

Autistic pride. Stolz auf Autismus? Nein! Es ist so falsch, auf etwas stolz zu sein, was man nicht eigenständig erreicht hat! Sei es Nationalität, Geschlecht, Sexualität oder was auch immer. Worauf man jedoch stolz sein kann – und das erklärt der Artikel ganz gut – ist etwas trotz Einschränkungen erreicht zu haben; sich der Behinderung zu widersetzen. Behindert ist man nicht, man wird es: Durch starre, altbackene Ansichten und Verhaltensweisen von Nichtbetroffenen.

Worauf ich stolz bin? Mit 31 Jahren, nach fast 10 jähriger Isolation, eine dreijährige Ausbildung in 20 Monaten als Jahrgangsbester abgeschlossen zu haben.
Worauf ich stolz bin? Das Abi im zweiten Bildungsweg im Anschluss, ebenfalls als Jahrgangsbester mit Einserschnitt. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht, meine Passion in einem Gesellenbrief verewigt und studiere nun das, was mich mein ganzes Leben bereits begeistert, was mich schon als Kleinkind fesselte.

Und das obwohl Anfangs niemand auch nur einen Hauch von Vertrauen oder Hoffnung in meine zielstrebige Planung investieren wollte!

Darauf bin ich stolz!

Weder Ämter, noch die entsprechende Kammer, noch andere Berater, geschweige denn die potentiellen Arbeitgeber bei denen ich mich bewarb – sogar ein Psychologe nahm mir jeglichen Wind aus den Segeln, stempelte mich als dumm ab und meinte allenernstes, dass jemand wie ich nur in einer Behindertenwerkstatt einen Job finden würde [sic!]. Ich wurde ich belächelt, teilweise nichtmal ernst genommen. Man sah den Lebenslauf und pauschalisierte. Ich wurde vor meiner Ausbildung sogar zu Vorstellungsgesprächen eingeladen, nur mir sagen zu lassen, dass man sich mit einer solchen Lücke im Lebenslauf lieber gleich auf ein Leben in Hartz4 einlassen könne und ich mir keine Hoffnung auf eine Ausbildung machen sollte.

Niemand, absolut niemand machte auch nur den Versuch, hinter die Fassade zu schauen!

Die Genugtuung, die ich durch meine Abschlüsse und Gutachten in den letzten Jahren erlangte, ist grenzenlos. Ein symbolischer Mittelfinger gen all jene, die mich zu Unrecht verurteilten und teils sogar bewusst erniedrigten.

Darauf bin ich stolz und das lasse ich mir nicht nehmen. Die ganze Welt soll das hören!

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kennst Du einen Autisten, kennst Du einen..

Der geneigte Außenstehende tendiert in vielen Belangen oftmals zum Pauschalisieren. Besonders bei Situationen, die er nicht mit seinem Weltbild vereinbaren kann, wird zum Schubladendenken gegriffen, um das Erlebte in vorgefertigten Ablagen – mitunter völlig falsch – zu archivieren. Das Thema Autismus ist ein solches Thema, das zwar mittlerweile durch mediale Präsenz eine gewisse oberflächliche Aufmerksamkeit in der breiten Bevölkerung genießt, aber eben nicht akut genug ist, um diese oberflächliche Aufmerksamkeit in ein tiefgründiges Interesse zu wandeln. 

In solchen Fällen kommt leider ein maßgebendes Phänomen hinzu, das aus just diesem oberflächlichen Ankratzen eines komplexen Themas hervorgeht: Halbwissen in Verbindung mit prägnanten Informationen, die irgendwie in den Synapsen hängengeblieben sind. Getreu dem Motto: “viel Meinung, wenig Ahnung”, die Ursuppe der perfekten Pauschalisierung. Ein Fauxpas bei einem hochsensiblen Thema, wie Autismus.

Als Betroffener kann man sich immer wieder mit der Ignoranz und dem Desinteresse vieler Menschen auseinandersetzen. Es fängt an bei Verhaltensweisen, die zwar typisch für einen Asperger sind, jedoch oftmals als arrogantes Gehabe interpretiert werden. Man bittet grundsätzlich nicht um einen Nachteilsausgleich, der eben den Zweck erfüllen soll, Defizite so zu kompensieren, dass man durch seine Behinderung nicht unnötig leiden muss, sondern um die eine Extrawurst, die einem das Recht gibt, sich für etwas Besseres zu halten, um auf den Pöbel hinabzublicken.

Warum sollte man bei der Planung einer Klassenfahrt auch die Frage nach einem Einzelzimmer äußern wollen, wenn ansonsten nur Gruppenzimmer mit einer Handvoll Betten angeboten werden? Warum sollte man die Pausen lieber allein im Auto verbringen, statt mit den Kollegen zu sprechen? Warum sollte man sich bei gemeinsamer Gruppenarbeit zurückziehen und die Aufgabenstellung allein erledigen und dabei den Verweis “Arbeitsverweigerung” in Kauf nehmen? Warum sollte man mehr Zeit für sich brauchen, als andere?

Autismus ist nicht gleich Autismus. Das konservative Bild eines autistischen Menschen ist immer noch der Schwerbehinderte, der weder reden kann, noch über entsprechend kognitive Fähigkeiten verfügt, um sich beispielsweise der alltäglichen Morgentoilette hinzugeben. Im besten Falle kommen noch Spastizitäten und Inkontinenz hinzu und das Klischeebild des Paradeautisten ist komplett. Was hier grob thematisiert wird, würde der Form des sogenannten Frühkindlichen Autismus oder auch Kanner-Autismus entsprechen. Eine Form die in allen Belangen in die Extreme geht – aber selbst dort äußerst facettenreich auftritt. Aber sind es nunmal die Extreme, die sich irgendwie in den Köpfen manifestieren. 9/11 ist omnipräsent, wer denkt da schon noch an den Autounfall mit zwei Toten auf der Autobahn XYZ, vor X Jahren?

Autismus ist tot, es lebe Autismus.

Das konservative Bild des Paradeautisten wurde weitläufig spätestens seit the Big Bang Theory durch die Figur des Sheldon Cooper reformiert, der sich als hochintelligenter, schrulliger Soziopath vielen Klischees des Asperger-Autismus bedient. Wer keinen Bezug zum Thema “Asperger-Autismus” hat, aber was auf sich hält, nimmt sich mittlerweile Sheldon Cooper als den Inbegriff des Musterautisten. Ein Autist, der so gar nicht dem altbackenen Bild dieser “Krankheit” entspricht? Genau! Der moderne Autist von heute agiert konspirativ wie ein Geheimagent. Man sieht ihm seine Behinderung gar nicht an!

Sätze wie “Aber sie wirken doch gar nicht autistisch” kennt sicher jeder Asperger-Autist. Meist kommen sie von eben jenen, die ihr Klischeebild des Paradeautisten vom schwerbehinderten Pflegefall zum hyperintelligenten Einsteinverschnitt oder gar Rainman 2.0 upgradeten, aber letzendlich nicht den blassesten Schimmer haben, was sich hinter diesem Thema verbirgt und einem den Autismus gar absprechen wollen, wenn man nicht in dieses Raster passt.

Wozu sich also sein Leben lang als Alien fühlen, jahrelang Psychotherapie über sich ergehen lassen und Monate auf einen Termin zur Autismusdiagnostik warten, wenn die Antwort doch so simpel ist und man eigentlich gar kein Autist sein kann, weil man nicht so wirkt?

Es könnte alles so einfach sein. Ist es aber nicht. Es gibt nicht DEN Musterautisten, dessen Verhalten maßgebend für alle anderen Autisten ist. Ein schlauer Spruch sagt: Kennst Du einen Autisten, kennst Du einen.. und genau das ist der Fakt, der oftmals für Verwirrung unter Außenstehenden sorgt. Sicher ähneln sich viele Autisten in gewissen Mustern, doch sind etliche typische Verhaltensweisen bei jedem Betroffen völlig individuell ausgeprägt, können sogar ganz fehlen.

  • Man guckt dem Gesprächspartner ins Gesicht, oder gar in die Augen? Dann ist man kein Autist!
  • Man bedient sich gern der Zynik und des Sarkasmus? Alles, nur kein Autist!
  • Man hat soziale Kontakte? Dann kann man kein Autist sein!
  • Man hat einen Beruf gelernt? Kann kein Autist sein.
  • Man arbeitet – und zwar NICHT in einer WfbM? Definitiv kein Autist.
  • Man ist in einer langjährigen Beziehung? Ach hör auf..

Ebenso einfach ist es, offensichliche Indizien zu ignorieren, und diese der betreffenden Person als charakterschwäche anzuheften, ohne auch nur den Hauch von Interesse zu zeigen, das Verhalten zu hinterfragen.

  • Man meidet Teamarbeit oder geht in dieser unter? Kein Autist, aber ein unfähiger Depp.
  • Man ist ruhig und introvertiert? Kein Autist, aber ein Psychopath.
  • Man geht nicht offensiv auf Menschen zu? Ein passiver Langweiler!
  • Man bittet um einen Nachteilsausgleich? Nur ein arroganter Typ, der sich für was besseres Hält, aber kein Autist!
  • Man meidet Gruppen und ist lieber allein? Träumer..
  • Man wippt oder hat sonstige Marotten? Musst Du pinkeln? Bist du nervös?
  • Man stottert bei Vorträgen? Zu wenig Übung, mehr nicht!
  • Man ist in Gedanken versunken und reagiert deshalb nicht auf Ansprachen? Unfreundlicher Typ!
  • Man erkennt Leute nicht auf dem ersten Blick? Dito.

(Asperger-)Autismus wird nicht umsonst die unsichtbare Behinderung genannt. Man sieht es dem Betroffenen einfach nicht an und schließt daraus, dass dieser deswegen nicht leiden könne und sich nicht so anstellen solle. Viele Betroffene, vor allem spätdiagnostizierte Asperger haben im Laufe ihres bisherigen Lebens Strategien entwickelt, um sich – zumindest nach außen – anzupassen. Teils bewusst, teils unbewusst. Diese Strategien kommen einer erlernten Fremdsprache nahe, die man zwar mehr oder weniger fließend beherrscht, aber eben nicht mit der Perfektion eines Muttersprachlers. Irgendwann kommt man auch als angepasster Asperger-Autist an seine Grenzen und die so mühsam aufgebaute Fassade bricht in sich zusammen.

Diese Grenzen sind jedoch meist nicht durch den Autismus gesteckt, sondern durch das falsche Bild, das in der Gesellschaft herrscht. Etwas mehr Weitsichtigkeit in Bezug auf Menschen, die nicht der Norm entsprechen, würde der Gesellschaft gut tun. Durch falschen Umgang mit Autisten werden diese erst behindert und eingeschränkt. Würde beispielsweise ein Arbeitgeber von sich aus auf die Bedürfnisse seines autistischen Angestellten eingehen, bräuchte dieser keinen Schwerbehindertenausweis, um Nachteilsausgleiche einzufordern, gar einzuklagen.

Autist sein heißt, sich ständig rechtfertigen zu müssen und dennoch missverstanden zu werden.

q.e.d.

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