Heute vor zwei Jahren zog ich nach Osnabrück. Bei der Immatrikulationsfeier, 4 Tage später, sprach der Dekan “Freuen Sie sich auf die nächsten Jahre. Man sagt, das Studium sei die schönste Zeit des Lebens”.
Was ich bislang aus diesem Satz mitnehmen konnte? Nichts.
Vor zwei Jahren nahm das Martyrium seinen Lauf. Der Umzug und das Studium sind – nüchtern betrachtet – meine größten Fehler seit 2002. Es sollte ein Weg in ein neues Leben werden, um die Trennung zu überwinden und einen kompletten Neuanfang meines Lebens zu vollziehen, wurde aber der Weg in meine größte soziale Isolation seit 2005. Die Trennung habe ich überwunden, die Einsamkeit nicht. Ich habe einfach keine Energie mehr und fühle mich ausgebrannt, bin mal wieder an einem Tiefpunkt, wie ich ihn lange schon nicht mehr erlebte.
Deja-vu. 2002 war es ähnlich. Nach der Realschule wollte ich unbedingt das Abi machen. Ich fand keinen Anschluss, ich war allein, das neue Umfeld überforderte mich und ich quälte mich drei Jahre erfolglos durch den Äther, blieb zwei Mal sitzen und ging 2005 nach drei verschwendeten Jahren ohne Abschluss ab. Es folgte jahrelange soziale Isolation und Arbeitslosigkeit, verließ teils über Wochen nicht mein Zimmer – allerhöchstens nachts. Erst als ich 2012 mit meiner Ex zusammenkam, ging es bergauf. Zum ersten Mal fühlte ich mich verstanden und nicht stigmatisiert. Ich schöpfte Energie, wie ich sie vorher nicht kannte. Jedoch vergingen drei weitere Jahre im Kampf mit mir selbst und der Konsultierung sämtlicher Ärzte und Therapeuten, um 2015 endlich dort anzuknüpfen, wo ich 2005 aufhörte;
Es folgten Ausbildung und Abi im zweiten Bildungsweg binnen 3 Jahren, beides als Jahrgangsbester, ersteres sogar mit namentlicher Erwähnung in einem Zeitungsartikel. Ich war auf einem Höhenflug und konnte zum ersten Mal mein volles Potential schöpfen.
Ende 2017 dann der unvermeidbare Augenblick, der mich bis dato nur in meinen schlimmsten Albträumen heimsuchte: die Trennung – nach fast 6 Jahren wieder irgendwie allein klarkommen. Wieder ein tiefer Einschnitt meines gewohnten Alltags, der mich völlig verwirrte und aus der Bahn werfen sollte. Jedoch hatte ich noch genug Energie, um das Abi 2018 noch zu meiner Zufriedenheit zu beenden. Zum Glück, denn die Energie verließ mich kurz darauf.
Der Umzug nach Osnabrück sollte mein Neuanfang sein, um die alten Probleme abzustreifen und neue Energie zu finden. Ein Reboot des Lebens. Berufliche und soziale Neuordnung. Letztendlich sind nur neue Probleme hinzugekommen. Ich habe mich freiwillig und bewusst einer Veränderung meiner Lebensumstände unterzogen, obwohl mich in der Vergangenheit schon viel kleinere Veränderungen aus der Bahn geworfen hatten. Zurück ist aber keine Option.